Das Herzstück der Firma in Szene gesetzt
Corporate Architecture bringt den Kern eines Unternehmens nach außen. Was aus diesem theoretischen Ansatz alles werden kann, demonstriert die holländische Firma ELEQ eindrücklich mit ihrem 2012 fertiggestellten Neubau in Kerpen: Badtke Architektur und Michels Architekturbüro „umwickelten“ als beauftragte Arbeitsgemeinschaft das neu entstandene Verwaltungsgebäude mit einer kupferroten Fassade. So dass die Firma und ihr kupferrotes Kernprodukt – Transformatoren – für jeden Besucher miteinander verschmelzen. Und dabei eine weithin sichtbare Strahlkraft entwickeln.
Wer ein neues Unternehmen besucht, der trifft als Erstes auf seine äußere Erscheinung, sein Gebäude. Genau diesen Moment nutzt Corporate Architecture: In Sekundenschnelle erhält der Besucher einen intuitiven Eindruck von seinem Gegenüber. Damit Architekten das Innere eines Unternehmens aber nach außen bringen können, müssen sie es verstehen, sie müssen sich wirklich auf die Firma einlassen. Welche Kultur bestimmt das Haus? Und welche Menschen verkörpern sie, welche Marken? Wie arbeiten Produktion, Marketing und Vertrieb? Was ist der Kern aller Tätigkeit? Und: Gibt es eine Philosophie, eine Vision, eine Corporate Identity? Wie lässt sie sich architektonisch gestalten? Was machen Lage und Standort aus, kann das Gebäude hier selbst zur Marke werden? All diese Fragen machen die Arbeit des Architekten grenzüberschreitend. Und höchst kommunikativ.
So geschehen bei der Firma ELEQ: „Unsere Architekten haben sich vollkommen auf das Projekt eingelassen und dabei unsere Philosophie erkannt: Persönliche Kommunikation geht uns über alles“, bilanziert Geschäftsführer Robert Getreuer. Das 1946 gegründete Unternehmen fertigt Transformatoren, Wandler, Umformer, Messinstrumente und Anschlusstechnik, die in der Energieversorgung und in öffentlichen Beleuchtungssystemen, in intelligenten Stromnetzen und modernen Solar- und Windenergieanlagen zum Einsatz kommen. Die beiden Produktionsstandorte liegen in Holland (Steenwijk) und in Deutschland (Kerpen).
Kupferrotes Herzstück aus der Produktion
Das Herzstück der Produktion – der Transformator – wurde zum Initialpunkt für die Architekten Stefan Badtke und Andreas Michels. Wer einen Transformator in die Hand nimmt, sieht einen ringförmigen Kern, um den sich Stromkreise in Form von Kupferdrähten winden. Wer anschließend vor dem neuen ELEQ-Firmensitz steht, der erlebt einen eindeutigen Wiedererkennungseffekt: Kupferfarbene, überdimensionale „Drähte“ umkreisen das Verwaltungsgebäude. 1.600 Meter Aluminium-Profil haben die beiden Architekten um den Korpus „gewickelt“. Jeder Streifen misst 160 mm in der Höhe und 40 mm in der Tiefe. Zusammen besitzen sie eine eindrückliche Signalwirkung, die das ELEQ-Kernprodukt weithin sichtbar macht.
Mit seiner exponierten Lage gehörte schon die Auswahl des Grundstücks zur Architektenarbeit. „Das Grundstück sollte außerdem mitwachsen können, etwa wenn die Ansprüche an Fläche oder Logistik in zehn Jahren steigen“, erklärt Andreas Michels. Aufgrund seiner Wirtschaftlichkeits- und Grundlagenanalyse im Frühjahr 2009 entwickelten er und sein Projektpartner Stefan Badtke ein auffälliges Verwaltungsgebäude mit 750 qm und eine stringent gestaltete Produktionshalle mit 5.300 qm. Sie integriert die Fertigung, eine vormals ausgegliederte Entwicklungsabteilung und einen Zulieferbetrieb. Obschon die auffällige Fassade einen budgetär eher aufwendigen Industriebau vermuten lässt, können sich die Zahlen sehenlassen: Die Erstellungskosten der Produktionsfläche beliefen sich pro Quadratmeter auf 700 Euro, bei der Bürofläche lagen sie bei 1.000 Euro. Das Gesamtbudget summierte sich auf vier Millionen Euro (netto).
Fassade kommuniziert nach außen – und wieder zurück
Doch zurück zum Herzstück der Architektur und damit zurück zur Fassade – und ihrer immer wieder überraschenden Wirkung. Denn: Je nach Tageslicht und Standort verändert sich der optische Eindruck. „Normalerweise schleichen sich schnell Gewöhnungseffekte ein und man sieht ein Gebäude eigentlich gar nicht mehr. Diese Fassade allerdings fasziniert immer wieder. Selbst uns“, erklärt Stefan Badtke, der die Materialwahl als entscheidend erlebte: „Das spezialeloxierte Aluminium besitzt sichtbare Tiefe und Farbsättigung, Lebendigkeit und Kraft – vor allem gegenüber eine pulverbeschichteten Oberfläche. Ein Experiment für alle, die an der Produktion beteiligt waren.“
Ebenso experimentell: der Abstand zwischen Fassade und Fensterfront. Er forderte von den Architekten Feinarbeit, ein gesundes Bauchgefühl und ein ganz praktisches Ausprobieren. „Niemand sollte sich im Büro eingeschlossen fühlen, gleichzeitig durften Fassade und Gebäude auch nicht auseinanderfallen“, erinnert sich Andreas Michels. Um weiterhin viel Lichteinfall zu ermöglichen, plante er in Augenhöhe weniger Profile, im Boden- und Deckenbereich mehr. Um sie auch wirklich gewickelt aussehen zu lassen, kam es auf die Tiefenwirkung an, auf die Überlagerungen der einzelnen Bahnen und ihren Schattenwurf. „Unzählige Animationen sind hierbei ins Land gegangen.“
Wer heute eines der Büros betritt, trifft auch hier auf die kupferfarbenen Profile, die in die Räume hineinlugen. „Die Fassade kommuniziert nicht nur das Innere nach außen, sondern auch das Äußere nach innen“, begeistert sich Stefan Badtke. Wie ein Schnittmusterbogen bilden sich die Profilschatten derart markant auf dem Fußboden ab, dass sie sogar die Auswahl der Bodenbeläge beeinflussten. Die ansonsten puristischen Innenräume passend zu einem produzierenden Betrieb: Sichtestrich und Sichtbeton bestimmen sie, außerdem Glaswände, die die Büros hin zur Produktion öffnen.
Und was sagen die 85 Mitarbeiter zu ihrem auffälligen Arbeitsplatz? „Wer bei ELEQ arbeitet, der ist stolz auf das herausragende Gebäude. Es wirkt identitätsstiftend“, antworte Robert Getreuer. Nur 500 Meter von dem neu geplanten, 2014 fertiggestellten Autobahnanschluss entfernt und in Sichtweite der neuen Umgehungsstraße erstrahlt seine neue Firma in kupferroter Hülle. So erfreut das herausragende Gebäude an exponierter Lage auch die Bauaufsicht und die Wirtschaftsförderung der Stadt Kerpen. „Ich habe den Eindruck, als Unternehmen anders wahrgenommen zu werden. Denn schließlich haben wir der Stadt auch etwas gegeben“, bilanziert Getreuer.
www.badtke.eu